Feel Again Read online

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Er schaltete schnell und hielt mir die Tür auf. Mit wackeligen Beinen folgte ich Isaac, als er mich quer über den Campus führte. Schließlich machten wir vor einer Parkbank Halt, die etwas abseits im Schatten eines großen Baumes stand. Ich war froh, mich setzen zu können.

  Zittrig holte ich Luft.

  »Zeig mal«, meinte Isaac und beugte sich vor. Ich drehte mein Gesicht so, dass er sich meine Wange ansehen konnte. Sein Blick verdunkelte sich.

  Ich ließ mich zurücksinken und schloss die Augen. Meine Hände zitterten weiterhin, aber die tiefen Atemzüge halfen mir dabei, mich wieder zu beruhigen.

  »Hier, iss das«, sagte Isaac nach einer Weile.

  Ich öffnete die Augen. Er hielt mir einen Schokoriegel vor die Nase. Zögerlich nahm ich ihn entgegen, wickelte das Papier herunter und biss ein kleines Stück ab. Im ersten Moment rebellierte mein Magen, aber dann merkte ich, dass die Schokolade mir guttat. Und obwohl ich eigentlich nicht viel für Süßigkeiten übrighatte, aß ich sie bis zum letzten Krümel auf.

  Danach starrte ich für ein paar Minuten ins Nichts.

  Es bestand keine Chance, dass Isaac nicht mitbekommen hatte, was Amanda zu mir gesagt hatte. Mit einem skeptischen Blick drehte ich mich schließlich zu ihm: »Wieso bist du mit mir gekommen?«

  Er runzelte die Stirn. »Was meinst du?«

  »Wieso sitzt du hier mit mir, wenn du genau weißt, was ich gemacht habe?«

  »Das da drinnen ging gerade gar nicht.«

  »Eine Schlampe wie ich hat es wohl nicht anders verdient«, sagte ich zynisch.

  »Sawyer!« Isaac sah mich empört an.

  »Was denn? Du hast Amanda doch gehört.«

  »Mir ist egal, was du gemacht hast – jemanden zu schlagen, ist nie in Ordnung«, erwiderte er grimmig. Er sah mich weiter an, durch die Gläser dieser blöden Streberbrille, und ich fragte mich unwillkürlich, ob sie Sonnenstrahlen bündelten und auf mich richteten, weil mir völlig unerwartet ganz warm wurde.

  »Ich wusste es nicht«, hörte ich mich plötzlich selbst sagen. Ich richtete den Blick auf meine Schuhspitzen, und meine Harre fielen mir vors Gesicht. Das war besser. Einen Vorhang zwischen mir und Isaacs wachsamem Blick zu haben, fühlte sich gut an.

  »Er hat nie was von einer Freundin gesagt«, fuhr ich fort. »Ich hätte sonst nicht … Ich meine, ich würde nie …«

  »Sawyer«, unterbrach Isaac mich sanft. »Ich glaube dir.«

  Ich blickte auf und strich mir das Haar hinters Ohr.

  Isaac studierte eingehend mein Gesicht. Dann fiel sein Blick wieder auf die Stelle an meiner Wange, wo sicherlich noch immer der Abdruck von Amandas Hand zu sehen war.

  »Wir sind nicht das, was sie über uns sagen, Sawyer. Lass dir das nicht einreden.« Er lächelte mich aufmunternd an, und langsam, ganz langsam flaute das schmerzhafte Pochen in meiner Wange ab.

  KAPITEL 3

  Al musterte mich kritisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war ein riesiger, bulliger Typ und sah aus, als könnte er mich und gleichzeitig zwei weitere Personen, ohne mit der Wimper zu zucken, einhändig zerquetschen.

  Auf jeden anderen hätte er in diesem Moment wahrscheinlich einschüchternd gewirkt, da ich aber inzwischen seit vier Monaten im Woodshill Steakhouse arbeitete, kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass sich hinter seiner grimmigen Fassade ein butterweicher Kern verbarg.

  »Komm schon, Al. Gib dir einen Ruck«, sagte ich und zwang mir ein seltenes Lächeln aufs Gesicht. Ich wusste, dass es Wirkung zeigen würde. Das tat es immer, wenn ich mich mal dazu durchrang.

  »In Ordnung. Aber wenn du mir meine Kunden vertreibst, fliegst du.« Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter.

  Jetzt war mein Lächeln nicht länger erzwungen. »Du bist der Beste.«

  Er grunzte bloß, stieß die Klapptüren auf und verschwand wieder nach hinten in die Küche.

  Endlich. Ich räumte hastig die letzten Gläser in das Regal hinter der Bar und ging danach zu dem riesigen Mischpult. Seit Al die Anlage vor ein paar Wochen angeschleppt hatte – angeblich ein Überbleibsel seiner Tage als DJ –, hatte es mich in den Fingern gejuckt, sie auszuprobieren. Doch nur ein Schritt in die ungefähre Richtung, und Als warnende Stimme war aus Richtung der Küche gedonnert und hatte gedroht, mich zu feuern, sollte ich auch nur an einem einzigen Rädchen drehen. Dabei müssten wir im Steakhouse meiner Meinung nach dringend bessere Musik spielen, wenn wir nicht nach und nach die Gäste mit Als langweiligen Gastro-Mixtapes vergraulen wollten.

  Irgendwann musste er mal einen guten Musikgeschmack gehabt haben, dachte ich, als ich die Platten durchwühlte, die sich in dem Schrank unterhalb des Mischpults stapelten. Darin zu stöbern, war ein bisschen wie Weihnachten. Fassungslos zog ich eine Bullet-For-My-Valentine-Platte hervor. Sofort legte ich sie ein und drehte den Lautstärkeregler am Mischpult hoch. Wenig später schickte mir ein raues Gitarrensolo einen angenehmen Schauer über den Rücken.

  »Sawyer, Kundschaft!«, rief meine Kollegin Willa.

  Ich unterdrückte einen Seufzer, richtete meine schwarze Schürze und tröstete mich mit der Tatsache, dass ich wenigstens für diese Schicht einen guten Soundtrack haben würde.

  Als ich durch den Vorhang an den Tresen trat, stahl sich gegen meinen Willen ein Lächeln auf mein Gesicht. Meine Mitbewohnerin balancierte auf einem der Hocker und war gerade dabei, ihren Steinzeit-Laptop auf den Tresen zu hieven. Ich war immer wieder erstaunt darüber, dass ein so kleiner, zierlicher Mensch ein derart riesiges Teil mit sich herumschleppen konnte.

  »Ich dachte, du wolltest heute mit Loverboy nach Portland«, sagte ich zur Begrüßung und nahm eine Flasche Cola aus der Kühlschublade.

  »Hallo, Sawyer, ich freu mich auch, dich zu sehen«, entgegnete Dawn trocken. »Und ja, wollte ich eigentlich auch, aber dann habe ich mich dazu entschieden, meiner allerliebsten Mitbewohnerin einen Besuch abzustatten.« Sie stützte die Ellbogen auf den Tresen und legte das Kinn auf ihren gefalteten Händen ab.

  Ich schob ihr ein Glas eisgekühlter Cola zu. »Herzallerliebst. Also, warum bist du hier und nicht bei Cosgrove?«

  Sie seufzte. »Er musste früher los.«

  Ich hob eine Braue. »Und da ist er einfach ohne dich gefahren?«

  Sofort schüttelte sie den Kopf. »Ich war im Kurs bei Nolan und habe nicht auf mein Handy geguckt. Es gab … einen Notfall.«

  »Ah.« Ich hakte nicht weiter nach. Dawn hatte mir schon vor einer ganzen Weile erzählt, dass ihr Freund Spencer eine komplizierte Familie hatte und oft ohne Vorwarnung nach Hause musste. Anscheinend war seine Schwester krank und auf seine Hilfe angewiesen.

  »Interessante Musik, die Al heute aufgelegt hat«, sagte Dawn nach einer Weile.

  »Er hat mich ans Mischpult gelassen.«

  Ihr Gesicht leuchtete auf. »Na endlich! Du hast dir doch schon seit Wochen die Finger danach geleckt.«

  Für einen Moment war ich überrascht, dass sie das sagte. Dann erinnerte ich mich daran, dass es Dawn war, die da vor mir saß. Egal, wie wenig ich über mich oder mein Leben sprach – es war unmöglich, mit jemandem wie ihr zusammenzuwohnen und nichts von sich selbst preiszugeben. Sie kannte mich einfach manchmal ein bisschen besser, als mir lieb war.

  Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Denn der Blick, mit dem Dawin mich in diesem Moment beäugte, war mir alles andere als neu.

  »Na los. Frag schon«, seufzte ich und nahm die Gläser entgegen, die Willa mir auf einem Tablett reichte. Ich bedankte mich mit einem Nicken und fing an, sie abzuspülen.

  »Was war das am Wochenende?«

  Ich hielt inne. Ich hatte erwartet, dass sie mich auf die Sache mit Amanda ansprechen würde. »Was meinst du?«

  Sie schnaubte laut.

  Ich hob den Blick von der Spüle.

  Sie zog vielsagend ihre Augenbrauen hoch, als würde ich mich absichtlich dumm stellen.

  »Ich habe keine Ahnung, was du von mir willst.«

  Dawn verdrehte die Augen. »Die Sache mit Isaac.«

  Oh. D
as hatte ich tatsächlich aus meinem Gedächtnis verdrängt. »Ach so. Das.«

  »Ja. Das«, wiederholte sie. »Was hatte es denn mit diesem Abgeschlecke auf sich?«

  Ich seufzte. Wie ich Dawn kannte, würde sie nicht lockerlassen, bis sie mir alles aus der Nase gezogen hatte. Also lieferte ich ihr die Kurzzusammenfassung.

  Als ich fertig war, sah sie beinahe enttäuscht aus.

  »Und ich dachte, ihr …« Sie hob die Schultern.

  Ich schnaubte. »Dass ich eurem elitären Pärchen-Club beitreten will?«

  Sie wurde knallrot.

  Fassungslos starrte ich sie an. »Dawn! Willst du mich verarschen?«

  »Was denn? Ihr saht süß zusammen aus!«, entgegnete sie trotzig.

  »Ich habe ihm geholfen, weil er ein netter Kerl ist. Mehr nicht.«

  »Und mit netten Kerlen fängst du grundsätzlich nichts an. Schon klar«, grummelte sie.

  Ihre Bemerkung versetzte mir einen Stich. Unwillkürlich fasste ich an meine Wange. Es hatte über einen Tag gedauert, bis sie nicht mehr heiß und rot gewesen war.

  »Tut mir leid. So war das nicht gemeint«, setzte Dawn schnell hinterher.

  »Schon okay.«

  »Isaac macht so was normalerweise nicht. Er ist total schüchtern. Ich weiß nicht mal, ob er …« Sie hob hilflos die Schultern.

  »Ob er was?«, fragte ich.

  Sie wurde schon wieder rot. »Naja, ob er schon mal eine Freundin hatte. Oder … du weißt schon …« Sie machte eine vage Handbewegung, die alles und nichts bedeuten konnte.

  Das war etwas, was ich niemals verstehen würde: Dawn schrieb erotische Geschichten. Erotische Geschichten mit langen, expliziten, detailverliebten Sexszenen, die selbst mir die Röte ins Gesicht trieben. Aber sie brachte es nicht über sich, in der realen Welt über Sex zu reden, ohne vor Scham einen halben Herztod zu erleiden.

  Ich stützte mich mit den Armen auf den Tresen. »Isaac ist keine Jungfrau mehr, falls du das meinst.«

  Sie schnappte nach Luft. »Woher weißt du das?«

  Ich erinnerte mich an seinen hungrigen Kuss und das Gefühl von seinen Händen auf meinem Körper. Zunächst war er schüchtern gewesen, aber dann hatte sich seine Zurückhaltung in Luft aufgelöst, und sein Kuss war gierig, beinahe verzweifelt geworden. Selbst wenn er mir vorher nicht gesagt hätte, dass er keine Jungfrau mehr war, hätte mir spätestens die Art, wie er mich berührte, verraten, dass er ganz genau wusste, was er tat.

  »Ich weiß es einfach«, sagte ich schulterzuckend. »Für so etwas habe ich einen siebten Sinn.«

  »Ist es nicht normalerweise der sechste Sinn?«

  Ich verzog die Lippen zu einem schmutzigen Grinsen. »Was mein sechster Sinn ist, möchtest du nicht wissen, Dawn. Glaub mir.«

  In einer fahrigen Bewegung griff Dawn nach ihrem Colaglas und trank einen großen Schluck, um darauf nichts antworten zu müssen.

  Das nächste Seminar von Visualisierung der Gesellschaft war die reine Hölle. Die Mädchen, die hinter mir saßen, lästerten so laut über mich, dass es unmöglich war, ihre Stimmen auszublenden. Am Anfang hatte ich kurz überlegt, mich in die letzte Reihe zu setzen, hatte die Idee aber schnell wieder verworfen. Ich würde mich nicht verstecken.

  Doch es war unfair. Cooper, der seine Freundin betrog, kam mit einem blauen Auge davon, aber ich war diejenige, die den Hass abbekam und als Schlampe beschimpft wurde. Wieso war das so? Unsere Gesellschaft war verdammt abgefuckt. Frauen zogen immer die Arschkarte. Es war zum Kotzen.

  Die Vorlesung kam mir länger vor als sonst. Wahrscheinlich weil ich zum ersten Mal Robyns Theorie zuhörte, statt wie üblich meine Bilder zu bearbeiten. Erst nachdem Robyn ihre Präsentation beendet hatte, klappte ich meinen Laptop auf und schaltete ihn ein. Ich spürte die Blicke von Amanda und ihren Freundinnen auf meinem Rücken. Ihr Tuscheln wurde lauter. Ich verdrehte die Augen.

  Eigentlich hatte ich vorgehabt, weiter an meiner »Der Morgen danach«-Reihe zu arbeiten, wusste aber, dass ich mich sowieso nicht konzentrieren konnte. Ich klickte stattdessen den Ordner mit den Fotos an, die ich über die letzten Monate verteilt vom Campus geschossen hatte.

  Als Robyn während ihres Rundgangs bei mir vorbeikam, stutzte sie. »Hast du ein neues Projekt begonnen?«

  Ich schüttelte den Kopf. »Das ist die Fotoreihe vom Campus, von der ich dir erzählt habe.«

  Sie beugte sich über meinen Tisch und drehte den Laptop zu sich, damit sie sich selbst durch die Bilder klicken konnte. Bei ein paar nickte sie anerkennend, bei anderen wiederum war ihr nicht anzusehen, wie sie sie fand.

  »Was ist mit den anderen Bildern?«, fragte sie.

  Ich warf einen flüchtigen Blick über meine Schulter zu Amanda. Sie merkte es und funkelte mich aus zusammengekniffenen Augen an. Ich wandte mich wieder Robyn zu und schüttelte den Kopf. »Die habe ich vorerst auf Eis gelegt.«

  »Das ist wirklich schade. Ich hätte sie gerne im Flur ausgestellt.«

  Ich hielt den Atem an. Nur die besten Bilder des Studienganges wurden ausgestellt, und in den meisten Fällen nur welche der Absolventenjahrgänge. Dass sie letztes Jahr die Portraits, die ich von Dawn gemacht hatte, ausgesucht hatte, war schon ein riesiger Erfolg für mich gewesen. Und das nicht nur, weil ich danach unzählige Mails mit kleinen Aufträgen in meinem Postfach gehabt und in dem Monat mehr verdient hatte, als in jedem anderen seit Beginn meines Studiums. Dass Robyn mich nun zum zweiten Mal fragte, war eine wahnsinnige Ehre. Ich wollte meine Bilder unbedingt als riesige Ausdrucke in den Fluren der Universität hängen sehen. Doch Amandas Ohrfeige und das, was sie und die anderen über mich gesagt hatten, war noch immer präsent in meiner Erinnerung. Wenn diese Fotos offen zur Schau gestellt wurden, würde ich ihnen noch eine viel größere Angriffsfläche bieten, auch wenn ich das Foto mit Coopers Uhr längst in den Papierkorb verschoben hatte. Und wer konnte mir sagen, dass nicht noch ein Mädchen irgendetwas von ihrem Freund auf den Bildern erkennen würde?

  »Kann ich noch einmal darüber nachdenken?«, fragte ich Robyn leise.

  Sie sah mich prüfend an. »Es gibt Studenten, die sich für eine solche Möglichkeit die Hand abhacken würden. Es ist nicht fair, sie warten zu lassen, wenn du dir nicht hundertprozentig sicher bist, was deine Arbeit angeht.«

  Ich schluckte schwer.

  Sie hatte recht. Ich konnte dieses Angebot unmöglich ausschlagen. Dass Amandas Freund ein Arschloch war, war nicht meine Schuld. Auch wenn es mir leid für sie tat – ich hatte das nicht mit Absicht gemacht. Und ich würde mir diese einmalige Gelegenheit nicht nehmen lassen. Von niemandem.

  »Du hast natürlich recht. Ich würde die Bilder sehr gerne ausstellen«, sagte ich und sah Robyn fest in die Augen.

  Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Obwohl sie jünger war als alle meine anderen Dozenten, strahlte sie eine ziemliche Autorität aus. »Okay. Dann schick mir die Bilder bis morgen Abend und sag mir, welche deine drei Favoriten sind. Ich schaue sie mir an und gebe sie anschließend in die Druckerei.«

  Ich nickte und tippte mit vor Aufregung zittrigen Fingern eine Notiz in mein Handy. Wenig später verkündete Robyn, dass wir eine Pause machen sollten, und ich verließ sofort den Raum. Als sie sich von meinem Tisch entfernt hatte, war das Getuschel in der Reihe hinter mir schlagartig wieder lauter geworden, und ich hatte ganz deutlich die Worte »Schlampe« und »Der ist doch echt nichts peinlich« gehört. Ein ganz unangenehmes Kribbeln hatte sich in meinem Körper ausgebreitet, und ich hatte es kaum erwarten können, an die frische Luft und weg von diesen Feindseligkeiten zu kommen.

  Genau wie deine Mutter.

  Was ich wollte, war einfach nur meine Ruhe. Es hatte mich noch nie interessiert, was andere über mich dachten. Und ich würde ganz sicher jetzt nicht damit anfangen zu versuchen, es den Leuten recht zu machen.

  Ich drehte eine kleine Runde über den Campus und hielt bei einem der Wagen inne, an denen Limonade ausgeschenkt wurde. Ich erkannte die Person, die davor stand, sofort. Wenn ihn nicht die komischen Hosenträger
und die Brille verraten hätten, dann ganz sicher die hektischen Bewegungen. Oder das schüchterne Stammeln.

  Anscheinend fand er sein Portemonnaie nicht. Während die Bedienung schon ungeduldig von einem aufs andere Bein trat, kramte er wie ein Irrer in den Hosentaschen seiner Chinohose rum. Die junge Frau hinter dem Tresen warf mir einen entschuldigenden Blick zu.

  »Was darf’s für dich sein?«, fragte sie.

  »Grapefruit.«

  Sie nickte und drehte sich um, um mir einen Becher einzuschenken.

  Isaac schien mich nicht bemerkt zu haben. Seine Bewegungen wurden immer gehetzter, und auf seinem Hals erschienen lauter rote Flecken. »Ich hatte es vorhin noch, sorry«, murmelte er.

  Die Bedienung stellte meinen Becher neben Isaacs. »Kein Stress. Notfalls stellst du dich den Rest des Tages einfach zu mir und wäschst ab.«

  Sie zwinkerte ihm zu, und Isaac lief – wenn das überhaupt möglich war – noch röter an. Sein Mund klappte ein Stück auf, und es sah so aus, als wollte er etwas sagen. Allerdings kam nichts raus. Während sein Gesicht total erstarrt war, fanden seine Hände sein Portemonnaie in der hinteren Tasche seiner Hose. Er zog es heraus, und im nächsten Moment hörte ich Geldmünzen über den Boden rollen.

  Er hatte es fallen lassen. Und es war offen gewesen.

  »Shit«, zischte Isaac, beugte sich runter und begann, sein Geld wieder einzusammeln.

  Ich konnte diese Katastrophe keine Sekunde länger mit ansehen. Ich kramte einen Schein aus meiner Tasche und bezahlte beide Limonaden. Anschließend nahm ich die Becher vom Tresen und tippte mit dem Fuß gegen Isaacs Bein. Er blickte hoch, und ich musste mich anstrengen, nicht loszulachen, so verzweifelt sah er aus.

  »Oh, ähm, hi«, stammelte er und rieb sich den Hinterkopf.

  »Komm mit«, sagte ich und deutete mit dem Kinn in Richtung des Unigebäudes.

  Er klaubte noch schnell die letzten Münzen vom Boden auf, bevor er sich mit knallrotem Kopf erhob. Ich reichte ihm seinen Becher, und wir gingen schweigend über das Campusgelände zum Eingang der Fakultät.

  »Danke«, murmelte er nach einer Weile.